Warum die Zirkusgegner nicht recht haben!
Teil 1: Die unterdrückte Fragestellung
Die Hetze gegen den klassischen Zirkus mit Tieren hat
einen neuen Höhepunkt erreicht. Zurzeit rollt eine Hetz-Kampagne von
noch nie da gewesenen Ausmaßen über unser Land. Die grausame
Tierquälerei müsse endlich verboten werden, tönt es aus den Megaphonen
der Aktivisten vor den Zirkuseingängen. Und nicht wenige Medien und
Politiker stimmen in den Chor mit ein. Für die Menschen im Zirkus ist
die Situation schon längst unerträglich geworden!
Was ist dran an den Vorwürfen der Tierrechtler? Das Aktionsbündnis
"Tiere gehören zum Circus" ist dieser Frage nachgegangen.
Im Mittelpunkt der Vorwürfe steht wie ein Glaubensbekenntnis der Satz,
dass eine artgerechte Haltung von Tieren, insbesondere von Wildtieren,
im Zirkus nicht möglich sei. Wenn man den Begriff "artgerecht" als "ganz
genau so wie in der freien Natur" versteht, muss man den Tierrechtlern
in diesem Punkt sogar Recht geben. Der Denkfehler der Zirkusgegner liegt
an einer anderen Stelle. Ohne jede Reflexion gehen sie davon aus, dass
"nicht-artgerecht" mit "tierquälerisch" und "artgerecht" mit
"paradiesisch für Tiere" gleichzusetzen sei. Nach dieser Auffassung wäre
jede Tierhaltung, insbesondere die Haltung von Wildtieren, Tierquälerei.
Denn schließlich kann keine Tierhaltung die Natur genau nachbilden.
Umgekehrt müssten alle Tiere in freier Wildbahn ständig nur glücklich
und zufrieden sein. Nach unserer Überzeugung ist sowohl das eine als
auch das andere wissenschaftlich nicht haltbar.
Durch die unsachgemäße Gleichsetzung der genannten Begriffe umgehen die
Zirkusgegner geschickt alle Überlegungen zu der eigentlichen Frage,
nämlich zu der Frage, wie die Zirkustiere mit den Lebensbedingungen im
Zirkus tatsächlich zurecht kommen, ob es ihnen gut oder schlecht geht.
Ein raffinierter Schachzug! Wissen doch die Propaganda-Spezialisten der
Tierrechtsvereine ganz genau, dass sie bei einer Diskussion über dieses
Thema den Zirkus-Befürwortern hoffnungslos unterlegen wären.
Der Verhaltensforscher Immanuel Birmelin und sein Team sind in den
letzten Jahren der unterdrückten Frage nachgegangen. In verschiedenen
Studien haben die Wissenschaftler untersucht, ob sich Wildtiere im
Circus wohlfühlen.
Gegenstand der Untersuchungen waren zunächst die Löwen von Martin Lacey
jr. im Circus Krone. An mehreren hintereinander liegenden Tagen wurden
die folgenden Verhaltensweisen genau registriert: Schlafen, aufmerksames
Liegen, Inaktivität, Laufen, Spielen, Auftreten in der Vorstellung,
Sozialverhalten, Sich-Putzen, Territorialität, Verteidigung, Essen und
Trinken, Paarung. Zudem haben die Wissenschaftler die Konzentration des
Stresshormons Cortisol im Speichel der Tiere gemessen, und zwar an
mehreren Tagen mit Vorstellung und unmittelbar vor und nach einem langen
Transport. Die Auswertung der Ethogramme und der Cortisol-Messungen hat
Folgendes ergeben: Die Tiere verhielten sich völlig normal, d.h. sie
ließen in Bezug auf zentrale Verhaltensweisen die gleiche zeitliche
Verteilung erkennen wie ihre frei lebenden Artgenossen und zeigten keine
Verhaltensstörungen, die auf Leid oder Stress hindeuteten, wie z. B.
Bewegungsstereotypien. Auch durch den Transport wurden sie nicht
gestresst. Fazit: Den Löwen von Martin Lacey geht es gut.
Offensichtlich wird die Fähigkeit der Löwen, sich an unterschiedliche
Lebensumstände anzupassen, durch die Bedingungen im Circus nicht
überfordert. Diese Anpassungsfähigkeit findet man übrigens bei allen
Tierarten. Sie wurde im Laufe der Evolution erworben und verbessert die
Überlebenswahrscheinlichkeit der Art bei sich schnell ändernden
Umweltbedingungen.
Zirkuskenner wurden durch diese Ergebnisse nicht überrascht. Sie wissen
nämlich, dass die Löwen von Martin Lacey ein königliches Leben haben.
Die Tiere leben nicht in engen Käfigen (wie häufig unterstellt wird),
sondern in großen, strukturierten Freigehegen. In jeder Gastspielstadt
stehen ihnen erhöhte Liegeflächen, Kratzbäume und Spielmaterial zur
Verfügung, sehr häufig auch belaubte Äste und Zweige. Zudem wird der
Gehegeuntergrund durch Rindenmulch oder Sand ausgelegt (sofern der
Zirkus nicht ohnehin auf Naturboden steht). Hinzu kommt, dass die Löwen
fast täglich durch ein auf die individuellen Vorlieben abgestimmtes
Training in der Manege beschäftigt werden - ein Training, das die Tieren
sowohl physisch als auch psychisch fit hält.
In der Biologie bezeichnet man eine Haltung, die zwar keine 100%ig
natürlichen Verhältnisse bietet, aber dennoch das Wohlbefinden der Tiere
gewährleistet, als "tiergerecht". Eine solche tiergerechte Haltung liegt
im Falle der Löwen von Martin Lacey auf jeden Fall vor.
Birmelin hat sich auch mit Elefanten in verschiedenen Zirkusunternehmen
beschäftigt und ist dabei zu Ergebnissen gekommen, die eher den
Standpunkt der Zirkus-Befürworter als den der Zirkus-Gegner
unterstützen. Und es gibt noch weitere Studien, in denen die Meinung
vertreten wird, dass sich Tiere im Zirkus, auch Wildtiere, bei guter
Haltung wohlfühlen. Bekannt wurde vor allem die breit angelegte
Untersuchung der britischen Verhaltensforscherin Kiley-Worthington (über
3000 Beobachtungsstunden in 15 Zirkusunternehmen). Das Aktionsbündnis
"Tiere gehören zum Circus" hat die wichtigsten Studien und Statements zu
diesem Thema auf seiner Homepage zusammengestellt.
Und wie gehen die Tierrechtler mit diesen Forschungsarbeiten um? Sie
ignorieren sie einfach und vermeiden jede Auseinandersetzung mit der
gegnerischen Meinung. Auch sonst ist die Argumentationsweise der
Tierrechtler wenig überzeugend. Doch davon soll im nächsten Text die
Rede sein ("Warum die Zirkusgegner nicht recht haben! Teil 2: Das
Ausweichmanöver").
Dirk Candidus (August 2015)
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