Widerlegung der
häufigsten
Argumente der Zirkusgegner
Wertewandel-Argument -
Artgerechtheits-Argument -
Bundestierärztekammer-Argument
1.
Das Wertewandel-Argument: In unserer
Gesellschaft hat ein Wertewandel stattgefunden, der die Präsentation von
Wildtieren im Circus nicht mehr zulässt.
Diese Argumentation ist für die Begründung eines Wildtierverbots für Circusse
untauglich, wie die folgenden Überlegungen zeigen.
In der Tat hat es einen Wertewandel gegeben; der sieht allerdings anders aus,
als von den Tierrechtlern dargestellt – und vor allem: er ist schon längst im
Circus angekommen. In den letzten 20 Jahren hat sich die Tierhaltung im Circus
grundlegend verändert: Circustiere leben heute in großen strukturierten
Freigehegen. Wer die "Tierschau" eines gut geführten Circus besucht, fühlt sich
an die Verhältnisse in einem zoologischen Garten erinnert. Auch die Art der
Präsentation hat sich gewandelt. So stellen moderne Tierlehrer die natürlichen
Bewegungen und die natürliche Ausstrahlung der Tiere in den Mittelpunkt und
machen dadurch die Schönheit, den Charakter und die Persönlichkeit der Tiere
sichtbar.
Ob der Wertewandel so weit geht, dass die Abschaffung der Wildtierhaltung im
Circus notwendig ist, muss allerdings bezweifelt werden. Man denke nur an die
sehr hohen Besucherzahlen des Circus Krone in der vergangenen Winter-Spielzeit
und an die schon seit Jahren sehr erfolgreichen Weihnachtscircusse. Die
letztjährige Ausgabe der RTL-Casting-Show "Das Supertalent" weist in die gleiche
Richtung. Die wunderbare Seelöwen-Darbietung von Erwin Frankello wurde vom
vorwiegend jugendlichen Publikum auf den zweiten Platz gewählt.
Offensichtlich werden die Besucher durch die Begegnung zwischen Tierlehrer und
Wildtier ganz besonders fasziniert. Der traditionelle Circus zeigt auf
eindrucksvolle Weise, dass Menschen und Tiere in Harmonie zusammenleben können.
In Zeiten fortschreitender Naturzerstörung und Tierausrottung ist dies eine
Botschaft, die die Menschen tief berührt.
Selbst wenn Wildtiere im Circus mit dem erwähnten Wertewandel nicht zu
vereinbaren wären, dürfte dies kein Grund sein, Wildtiervorführungen zu
verbieten. Ob eine Veranstaltung Bestand hat oder nicht, bestimmen allein die
Besucher durch ihr Verbraucherverhalten. Politiker haben nicht das Recht, die
Freizeitaktivitäten der Bürger durch Verbote und Verordnungen zu reglementieren.
Eine solche Bevormundung erinnert sehr an die Pläne für einen Veggie-Day in
Kantinen, mit dem die Grünen vor einiger Zeit so grandios gescheitert sind. Die
Tierrechtsideologie darf nicht durch Gesetze verordnet werden. In dieser Frage
müssen Glaubensfreiheit und Basisdemokratie herrschen.
2.
Das Artgerechtheits-Argument: Wildtiere
können im Circus nicht artgerecht gehalten werden.
Dieses Argument geht von
falschen Vorstellungen aus und ist deshalb ebenfalls nicht geeignet,
Verbotsforderungen zu begründen.
Die Circusgegner setzen bei ihrer Argumentation voraus, dass die Tiere auf das
Verhalten, das sie von sich aus in der freien Natur zeigen, mehr oder weniger
festgelegt sind, und dass nur die Verhältnisse in der freien Natur diesen
Verhaltensweisen gerecht werden können.
Dabei übersehen sie, dass das angeborene Verhalten der Tiere, auf das sich der
Begriff „artgerecht“ definitionsgemäß bezieht, niemals in reiner Form vorkommt,
sondern immer untrennbar mit erlerntem Verhalten verbunden ist. Daraus folgt:
Die Verhaltensweisen und Bedürfnisse der Tiere sind innerhalb bestimmter Grenzen
flexibel und damit individuell verschieden. Bei der individuellen Ausprägung des
Verhaltens spielen Umwelteinflüsse eine wichtige Rolle. Ein Elefant, der nur die
afrikanische Savanne kennt, zeigt nicht die gleichen Verhaltensweisen und
Bedürfnisse wie ein Elefant, der von klein auf im Circus gelebt hat. Die
britische Verhaltensforscherin Dr. Marthe Kiley-Worthington bemerkt hierzu, dass
für das Befinden der Tiere vor allem deren Vorerfahrung und nicht so sehr der
Unterschied Haustier/Wildtier entscheidend ist (Kiley-Worthington: Animals in
Circuses and Zoos. Chiron´s world? S. 221). Deshalb muss sich Tierschutz immer
am Wohl des Tierindividuums – und nicht an den vermeintlich einheitlichen
Bedürfnissen der Vertreter einer Art – orientieren.
Biologen haben, um diesen Zusammenhängen Rechnung zu tragen, die Begriffe
„tiergerecht“ bzw. „verhaltensgerecht“ geschaffen. Tiergerecht bzw.
verhaltensgerecht ist eine Tierhaltung dann, wenn sie den individuellen
Bedürfnissen der Tiere gerecht wird und somit das Wohlbefinden der Tiere
gewährleistet. In den letzten Jahrzehnten wurden mehrere, z. T. recht
umfangreiche wissenschaftliche Untersuchungen an Circustieren durchgeführt, die
alle zu dem Ergebnis kamen, dass sich Circustiere bei moderner Haltung durchaus
wohl fühlen. Eine tiergerechte Haltung von Tieren, auch von Wildtieren, im
Circus ist also möglich. Da die Circustierhaltung in Deutschland strengen Regeln
und lückenlosen Kontrollen unterliegt, kann man davon ausgehen, dass in fast
allen Unternehmen eine tiergerechte Haltung praktiziert wird.
Ferner liegt dem oben genannten Argument eine recht naive, allzu romantische
Naturauffassung zugrunde. Offenbar stellen sich die Circusgegner die
Lebensverhältnisse in der freien Natur als eine Art Paradies vor. In
Wirklichkeit wird das Wohlbefinden frei lebender Tiere nicht selten durch
Konkurrenten, Fressfeinde, Hunger, Durst, Krankheiten und viele andere
Widrigkeiten eingeschränkt. Der Kampf ums Überleben muss jeden Tag neu gewonnen
werden. Das Leben der Tiere in der freien Natur kann man in etwa mit dem Leben
der Menschen in der Steinzeit vergleichen. Die Tiere im Circus genießen die
Annehmlichkeiten eines Lebens in Menschenobhut genau so, wie wir die
Errungenschaften der Zivilisation genießen.
3. Das
Bundestierärztekammer-Argument: Auch die Bundestierärztekammer spricht sich für
ein Verbot von Wildtieren im Circus aus.
Die Behauptungen der Bundestierärztekammer sind fachlich nicht haltbar. Doch das
ist nicht unsere einzige Kritik an dieser Argumentation.
Der oben angeführte Satz klingt so, als hätte die Kammer eine
Mitgliederbefragung oder eine Vollversammlung zum Thema durchgeführt. Weit
gefehlt! Es wurde lediglich von den Mitgliedern des Vorstands abgestimmt – und
die Abstimmung ist denkbar knapp ausgegangen. Die Tierrechtler erwecken hier
also ganz gezielt einen falschen Eindruck.
Außerdem ist das Hauptargument des Vorstandsvorsitzenden Prof. Theo Mantel
längst widerlegt. Mantel behauptet, dass die Tiere wegen des Wanderlebens keine
Reviere einrichteten, deshalb nirgends heimisch werden könnten und folglich
ständig unter Stress stünden. Dabei übersieht er, dass Circustiere beim Reisen
ihre Umgebung zu einem großen Teil mitnehmen, nämlich die Einrichtung und die
Umgrenzung des Geheges, ihre Schlafbehausungen, die Umgebung außerhalb des
Geheges, ihre tierischen Partner und ihre menschlichen Betreuer (Pfleger,
Tierlehrer). Deshalb können sich die Tiere in jeder Gastspielstadt von Anfang an
zu Hause fühlen. Verhaltensstörungen oder andere Stresssymptome treten bei guter
Haltung nicht auf. Selbstverständlich richten standorttreue Tiere im Circus auch
Reviere ein. Raubkatzen z. B. markieren ihr Revier durch Urinabgabe in jeder
Gastspielstadt aufs Neue. Auch das laute gemeinsame Brüllen der Löwen, das man
z. B. im Circus Krone sehr eindrucksvoll erleben kann, ist nach dem
Löwenforscher George Schaller als Revierverhalten zu deuten (Grzimeks Tierleben,
Band 3, S. 357).
Kein Wunder, dass Mantel den Widerspruch der Fachwelt hervorrief. Am 30.04.2010
widersprach Prof. Klaus Zeeb, einer der maßgebenden deutschen Ethologen der
letzten Jahrzehnte, in einem Brief Mantels circusfeindlichen Thesen sehr
deutlich. Auch der Arbeitskreis „Zirkus & Zoo“ der „Tierärztlichen Vereinigung
für Tierschutz“ (TVT) vertritt eine andere Meinung: Die Reformen der
Circustierhaltung in den letzten Jahren hätten gegriffen, deshalb sei ein
allgemeines Wildtierverbot für Circusse nicht erforderlich.
Hinweis: Mittlerweile hat die Bundestierärztekammer ihre Forderung nach einem Wildtierverbot für Circustiere wieder zurückgenommen und durch deutlich moderatere Formulierungen ersetzt (siehe Pressemeldung vom 24.09.2016 auf der Homepage der Bundestierärztekammer).
Dirk Candidus
(Mai 2016) |