Wie können sich
Wildtiere an ihre Umwelt anpassen?
Erste Möglichkeit:
Die Tiere passen sich durch evolutionäre Prozesse, also durch Mutation und
Selektion (natürliche Zuchtwahl), an ihre Umwelt an (phylogenetische Anpassung).
Diese Prozesse sind mit einer Veränderung des Erbguts verbunden und führen -
sehr lange Zeiträume vorausgesetzt - zur Entstehung neuer Arten und Unterarten.
Der Mensch kann in diesen Vorgang eingreifen, indem er die Paarungspartner
selbst auswählt (künstliche Zuchtwahl). Dies geschieht bei der Züchtung von
Haustierrassen.
Zweite Möglichkeit:
Die Tiere passen sich durch Lernvorgänge (z.B. Gewöhnung oder Prägung) oder
epigenetische Veränderungen an ihre Umwelt an. Diese Form der Anpassung ist
nicht mit einer Veränderung des Erbguts verbunden und vollzieht sich am
Individuum, also innerhalb eines Tierlebens, vor allem in den ersten
Lebensphasen (individuelle Anpassung). Während Lernvorgänge das angeborene
Verhalten modifizieren, wird durch epigenetische Veränderungen die Ausprägung
von Merkmalen beeinflusst. Epigenetische Effekte beruhen auf dem Zusammenspiel
von Umgebung und Genaktivität. Dies bedeutet, dass Umwelteinflüsse darüber
bestimmen, welche Gene abgelesen werden und welche nicht. Deshalb bilden z.B.
Wildtiere, die in Menschenobhut geboren und aufgewachsen sind, im Gehirn andere
neuronale Verknüpfungen aus als ihre Artgenossen in der Wildnis.
Tierrechtler (= Zirkusgegner) machen den großen Fehler, dass sie die zweite
Anpassungsmöglichkeit unterschlagen. Dies führt zu einer falschen Einschätzung
des Wohlergehens von Zirkus- und Zootieren: Jede Abweichung von den Zuständen in
der Wildnis wird dann ohne weitere Reflexion als Tierquälerei gewertet.
Dirk Candidus (Dezember 2019)
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