Von angeborenem und erlerntem
Verhalten
Angeborenes bzw. instinktives Verhalten
kommt niemals in reiner Form vor, sondern ist immer mit erlerntem, erworbenem
Verhalten verbunden. Bei der Entwicklung eines Tiers verschmelzen, wie der
Zoologe Thomas Althaus schreibt, die Einflüsse des Erbguts und die Einflüsse der
Lernvorgänge zu einem untrennbaren Verhaltensbild (siehe das Kapitel "Zirkus"
auf der Homepage des Zoologen Dr. Thomas Althaus:
www.thomas-althaus-zoologe.net/zirkus/). Dies hat zur Folge, dass die
Verhaltensweisen und Bedürfnisse artgleicher Tierindividuen innerhalb eines
Spektrums variieren können. Die biologische Bedeutung dieses Sachverhalts liegt
auf der Hand: Populationen können so unterschiedliche Habitate besetzen, ohne
dass deshalb ein langer Evolutionsprozess (mit Veränderung des Erbguts)
notwendig wäre. Ein Beispiel für diesen Sachverhalt nennt der
Wissenschaftsjournalist Philipp J. Kroiß: "Manche Orcas leben küstennnah und
standorttreu, andere leben weiter von der Küste weg, aber ebenfalls standorttreu
und wieder andere wandern umher. Das bedingt auch unterschiedliche Ernährung der
einzelnen Typen." (http://zoos.media/medien-echo/artgerecht-tiergerecht-artgemaess-was-ist-gemeint/).
Ein anderes Beispiel ist der Afrikanische Steppenelefant, der nicht nur in der
Steppe, sondern auch in der Namib-Wüste vorkommt.
Deshalb muss die Forderung der Tieraktivisten nach einer artgerechten Haltung
von Wildtieren sehr kritisch gesehen werden. Impliziert doch der Begriff
"artgerecht", dass alle Vertreter einer Art die gleichen Bedürfnisse haben -
aber dies ist eben nicht der Fall, wie die Überlegungen oben zeigen. Eine
Tierhaltung muss vielmehr auf die speziellen Eigenarten eines Tierindividuums
abgestimmt sein. Liegen solche Verhältnisse vor, spricht man von einer
tiergerechten bzw. verhaltensgerechten Tierhaltung.
Diese Zusammenhänge haben auch Konsequenzen für die Beurteilung der Tierhaltung
im Zirkus. Eine Löwe, der in der Serengeti lebt, stellt nicht die gleichen
Anforderungen an seine Umwelt wie ein Löwe von Martin Lacey jr. im Circus Krone,
der in Menschenobhut geboren und aufgewachsen ist. In die gleiche Richtung weist
die folgende Erkenntnis der Verhaltensforscherin Dr. Marthe Kiley-Worthington:
Bei der Gestaltung des Umfelds eines Tiers komme es vor allem auf dessen
Vorerfahrung und nicht so sehr auf den Unterschied Haustier/ Wildtier an. Für
einen Sonderstatus der Wildtiere gebe es keinen Grund (Kiley-Worthington:
Animals in Circuses and Zoos. Chiron´s world? S. 221). Daran erkennt man: Die
Gegner der Wildtierhaltung im Zirkus unterschätzen offensichtlich die Bedeutung,
die der erlernte Anteil für das Gesamtverhalten der Tiere hat.
Dirk Candidus (Oktober 2019)
Siehe hierzu auch den folgenden Aufsatz
auf unserer Homepage: "Widerlegung der häufigsten Argumente der Zirkusgegner". (www.tiere-gehoeren-zum-circus.de/tr_argumente.htm#AG)
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